Samstag, 9. August 2014

Führt unser Konsumangebot in die Suchtspirale?

Während meines zweiwöchigen Urlaubs hatte ich endlich mal wieder ausreichend Zeit, um zu lesen. Zusätzlich ist mir auch wieder einmal bewusst geworden, dass ich  mich sehr stark von diversen Medien, allen voran dem Internet ablenken lasse. Ich tendiere dazu, auf sämtliche offene Fragen und Gedanken über Google oder Ecosia eine Antwort zu finden. Dabei wandere ich von einer Webseite zur nächsten, lese und suche und wundere mich dann, dass die Zeit so schnell verrinnt und ich eigentlich nichts gebacken bekomme.

In der Bibliothek in Götzis hat dann das Buch „Junkies wie wir“ von Kurosch Yazdi mein Interesse geweckt. Herr Dr. Yazdi leitet die Suchtabteilung einer Klinik in Linz. In seinem spannenden Buch dreht sich alles um moderne Verhaltenssüchte, wie z.B. Spielsucht, Kaufsucht, Sexsucht, Internetsucht, und es erklärt, warum diese Süchte heutzutage so stark auf dem Vormarsch sind. Gerne möchte ich diese für mich neuen Erkenntnisse hier niederschreiben. 

Zuvor aber noch eine kurze Anmerkung: Wer Pickerl mit der Aufschrift „Bitte keine unadressierte Werbung“ für den Briefkasten sucht, bekommt diese unter anderem auch in der Bibliothek in Götzis. Es freut mich immer wieder, wenn ich solche kleinen Zeichen der Bewusstmachung in Geschäften, Institutionen, Arztpraxen oder wo auch immer erblicke.Weiters so!

So nun aber zurück zum Thema dieses Eintrags: Die Ursache für die Zunahme der Verhaltenssüchte liegt in einem Verlust von realen und sozialen Beziehungen begründet. Je „beziehungsloser“ wir werden, desto stärker sind wir gefährdet, diesen Wunsch nach Beziehung in Ersatzbefriedigungen wie Internet und Einkaufen auszuleben. Jeder „Gefällt mir“-Klick auf Facebook, die meisten Einkäufe, das Spielen im Internet, führen anfangs zu einem kurzfristigen Dopaminausstoß, der Glücksgefühle auslöst. Unser Gehirn ist darauf programmiert, nach diesen Dopaminausstößen zu lechzen. Dies ist ein ganz normales und natürliches Verhalten. Es soll uns dazu motivieren, beschwerliche Dinge zu tun, die überlebensnotwendig sind.  Früher hat die Knappheit von überlebensnotwendigen Dingen wie z.B. Nahrung dafür gesorgt, dass diese kurzfristigen Dopaminkicks nicht alltäglich waren. Während ich zum Beispiel täglich Schokolade futtere, war es für meinen Vater kurz nach dem Krieg ein seltenes und ganz besonderes Erlebnis, zwischendurch von den Besatzungssoldaten ein Stück davon zu erhalten.

Dazu kommt, dass der Mensch eigentlich in ein Rudel gehört, das heißt, sich einer Gruppe zugehörig fühlen möchte. Früher war dies eine Überlebensstrategie. Ein Steinzeitmensch hätte ohne Unterstützung, Schutz und Hilfe von anderen Menschen nicht überlebt. Den Kontakt zu anderen Menschen zu suchen war genauso wichtig, wie die Suche nach Nahrung. Als Motivation gab es auch dafür Dopaminausstöße.

Inzwischen hat sich die Außenwelt stark verändert, doch dieser menschliche Mechanismus ist derselbe geblieben. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn Menschen reale Kontakte pflegen, wenn sie sich begegnen und wertgeschätzt werden, aber auch, wenn Bedürfnisse befriedigt werden, wie die Nahrungsaufnahme oder der Konsum von Waren.

Die findigen Marketingstrategen haben all dies längst erkannt und nutzen dieses Wissen schamlos zu ihren Gunsten. Überall werden wir mit Werbebotschaften bombardiert, die uns das Blaue vom Himmel versprechen.

Bei Facebook wird das Bedürfnis nach sozialen Kontakten auch ganz gefinkelt ausgenützt. Es werden immer wieder neue Features angeboten, Freunde können gesammelt werden, wie andere Leute früher Briefmarken gesammelt haben. Es werden ständig neue Bedürfnisse geschaffen, die durch Facebook befriedigt werden. Den Facebookmachern ist daran gelegen, die Menschen dazu zu animieren, möglichst viel online zu sein. Auch wenn der Zugang zu Facebook kostenlos ist – indem sich Millionen von Menschen auf ihrer Plattform bewegen, können sie Werbeflächen lukrativ an Firmen verkaufen. Facebook ist es möglich, aufgrund des Datenverkehrs die Interessen der Nutzer herauszufinden und ihnen somit gezielt Werbung zukommen zu lassen, die den Bedürfnissen des Nutzers entspricht. Damit sollen die Nutzer wieder gezielt und unkompliziert zum Einkaufen animiert werden. Facebook und andere Plattformen dieser Art erziehen Nutzer gezielt zum Suchtverhalten. Nicht jeder tendiert dazu, süchtig zu werden, aber es ist ratsam, immer wieder selber bewusst hinzuschauen.

Vor allem bei Kindern ist die Gefahr, dass sie in ein Suchtverhalten hineinmanövriert werden, sehr groß. Ihr Belohnungssystem ist bereits voll ausgebildet, während andere Hirnareale, die für Kontrolle zuständig sind, sich erst später entwickeln. Es ist daher besonders dreist, bereits kleine Kinder mit Werbebotschaften zu bombardieren.

Irgendwann ist es dann so weit, dass diese Vielzahl an Dopaminausstößen nicht mehr zu einem Glücksgefühl führen, sondern nur mehr dazu da sind, negative Gefühle zu verhindern. Es gibt genügend Menschen, die Dinge kaufen, nur um des Kicks willen. Sie brauchen diese gar nicht und das Material verrottet mitunter unausgepackt in einer Ecke. Wer dies exzessiv betreibt, wird unweigerlich in die Schuldenfalle tappen.

Das Internet birgt auch noch andere Gefahren bei Kindern. Kürzlich lief auf 3Sat eine erschreckende Dokumentation mit dem Titel „Vom Strampler zu den Strapsen“. Kinder mit unbeschränktem Zugang zum Internet haben heutzutage auch unbeschränkten Zugang zu Pornoseiten. Wer kann schon kontrollieren, was sich Kinder z.B. über Smartphones da ungefiltert alles reinziehen und welche Sicht auf die Welt sie dadurch entwickeln? Es ist offenbar nicht mehr so ungewöhnlich, dass bereits Jugendliche Nacktfotos verschicken, ohne sich der Gefahren dessen bewusst zu sein. Es ist daher immens wichtig, Kinder und Jugendliche über die Gefahren aufzuklären und sie - so gut es eben geht - zu schützen.

All diese Entwicklungen sind massiv begünstigt worden durch diese uneingeschränkte Verfügbarkeit von Produkten, Medien und Verlockungen. Bereits Kinder werden mit Onlinespielen geködert, die darauf abzielen, dass möglichst viel Zeit online zugebracht wird. Nur so ist das Aufsteigen in ein höheres Level möglich. Kinder werden dadurch zu Suchtverhalten erzogen. Meines Erachtens begehen diese Spieleentwickler, sowie auch die Marketingstrategen ein Verbrechen und sollten zur Übernahme von Therapiekosten verpflichtet werden. Ebenso läuft es mit den ganzen Sportwetten-Geschichten, die zum Glücksspiel animieren.

Die Folgen dieser Süchte sind auf den ersten Blick nicht ganz so einfach zu erkennen wie die Folgen von substanzabhängigen Süchten (Alkoholsucht, Heroinsucht etc.). Jedoch ziehen auch Verhaltenssüchte körperliche Schäden nach sich. Menschen, die nicht mehr schlafen, um ihren Süchten nachzugehen. Menschen, die sich tief verschulden, um ihre Kaufsucht oder Glückspielsucht zu befriedigen. Menschen, die nicht mehr auf Körperhygiene achten, weil sie ständig vor dem PC, Smartphone, Tablet oder was auch immer sitzen. Menschen, die auf dem Entwicklungsstadium eines Kindes stehenbleiben, weil sie so durch ihre Sucht vereinnahmt sind. Menschen, die sich für nichts mehr interessieren, sich nicht mehr sozial engagieren, die auch im Wirtschaftsleben nicht mehr zu gebrauchen sind …

Vielleicht ist das alles übertriebene Schwarzmalerei … aber wenn ich z.B. mit dem Zug fahre und kaum einen Jugendlichen mehr sehe, der nicht auf dem Smartphone herumtippt, stimmt mich das nachdenklich.

Eine Ausgewogenheit der Lebensbereiche, eine gute Vorbildwirkung der Eltern, die Einschränkung der ständigen Verfügbarkeit und vor allem Beziehungsfähigkeit, gute reale, soziale Kontakte, sind gute Mechanismen, um sich gegen Verhaltenssüchte zu wappnen.

Wer mehr wissen möchte, dem sei das Buch „Junkies wie wir“ ans Herz gelegt. In der Bibliothek in Götzis kann es ausgeliehen werden. Das Wissen für diesen Eintrag habe ich großteils aus diesem Buch bezogen. 

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