Während meines zweiwöchigen Urlaubs hatte ich endlich mal
wieder ausreichend Zeit, um zu lesen. Zusätzlich ist mir auch wieder einmal
bewusst geworden, dass ich mich sehr
stark von diversen Medien, allen voran dem Internet ablenken lasse. Ich
tendiere dazu, auf sämtliche offene Fragen und Gedanken über Google oder Ecosia eine Antwort zu finden. Dabei wandere ich
von einer Webseite zur nächsten, lese und suche und wundere mich dann, dass die
Zeit so schnell verrinnt und ich eigentlich nichts gebacken bekomme.
In der Bibliothek in Götzis hat dann das Buch „Junkies wie
wir“ von Kurosch Yazdi mein Interesse geweckt. Herr Dr. Yazdi leitet die
Suchtabteilung einer Klinik in Linz. In seinem spannenden Buch dreht sich alles
um moderne Verhaltenssüchte, wie z.B. Spielsucht, Kaufsucht, Sexsucht, Internetsucht, und es erklärt, warum diese Süchte heutzutage so stark auf dem
Vormarsch sind. Gerne möchte ich diese für mich neuen Erkenntnisse hier niederschreiben.
Zuvor aber noch eine kurze Anmerkung: Wer Pickerl mit der
Aufschrift „Bitte keine unadressierte Werbung“ für den Briefkasten sucht,
bekommt diese unter anderem auch in der Bibliothek in Götzis. Es freut mich
immer wieder, wenn ich solche kleinen Zeichen der Bewusstmachung in Geschäften,
Institutionen, Arztpraxen oder wo auch immer erblicke.Weiters so!
So nun aber zurück zum Thema dieses Eintrags: Die Ursache für die Zunahme der Verhaltenssüchte liegt in
einem Verlust von realen und sozialen Beziehungen begründet. Je
„beziehungsloser“ wir werden, desto stärker sind wir gefährdet, diesen Wunsch
nach Beziehung in Ersatzbefriedigungen wie Internet und Einkaufen auszuleben.
Jeder „Gefällt mir“-Klick auf Facebook, die meisten Einkäufe, das Spielen im
Internet, führen anfangs zu einem kurzfristigen Dopaminausstoß, der
Glücksgefühle auslöst. Unser Gehirn ist darauf programmiert, nach diesen
Dopaminausstößen zu lechzen. Dies ist ein ganz normales und natürliches
Verhalten. Es soll uns dazu motivieren, beschwerliche Dinge zu tun, die
überlebensnotwendig sind. Früher hat die
Knappheit von überlebensnotwendigen Dingen wie z.B. Nahrung dafür gesorgt, dass
diese kurzfristigen Dopaminkicks nicht alltäglich waren. Während ich zum
Beispiel täglich Schokolade futtere, war es für meinen Vater kurz nach dem Krieg
ein seltenes und ganz besonderes Erlebnis, zwischendurch von den Besatzungssoldaten
ein Stück davon zu erhalten.
Dazu kommt, dass der Mensch eigentlich in ein Rudel gehört,
das heißt, sich einer Gruppe zugehörig fühlen möchte. Früher war dies eine
Überlebensstrategie. Ein Steinzeitmensch hätte ohne Unterstützung, Schutz und
Hilfe von anderen Menschen nicht überlebt. Den Kontakt zu anderen Menschen zu
suchen war genauso wichtig, wie die Suche nach Nahrung. Als Motivation gab es
auch dafür Dopaminausstöße.
Inzwischen hat sich die Außenwelt stark verändert, doch
dieser menschliche Mechanismus ist derselbe geblieben. Dopamin wird
ausgeschüttet, wenn Menschen reale Kontakte pflegen, wenn sie sich begegnen und wertgeschätzt werden, aber auch, wenn Bedürfnisse befriedigt werden, wie die Nahrungsaufnahme oder der Konsum von Waren.
Die findigen Marketingstrategen haben all dies längst
erkannt und nutzen dieses Wissen schamlos zu ihren Gunsten. Überall werden wir mit Werbebotschaften
bombardiert, die uns das Blaue vom Himmel versprechen.
Bei Facebook wird das Bedürfnis nach sozialen Kontakten auch
ganz gefinkelt ausgenützt. Es werden immer wieder neue Features angeboten,
Freunde können gesammelt werden, wie andere Leute früher Briefmarken gesammelt
haben. Es werden ständig neue Bedürfnisse geschaffen, die durch Facebook
befriedigt werden. Den Facebookmachern ist daran gelegen, die Menschen dazu zu
animieren, möglichst viel online zu sein. Auch wenn der Zugang zu Facebook
kostenlos ist – indem sich Millionen von Menschen auf ihrer Plattform bewegen, können sie Werbeflächen lukrativ an Firmen verkaufen. Facebook ist es möglich,
aufgrund des Datenverkehrs die Interessen der Nutzer herauszufinden und ihnen
somit gezielt Werbung zukommen zu lassen, die den Bedürfnissen des Nutzers
entspricht. Damit sollen die Nutzer wieder gezielt und unkompliziert zum
Einkaufen animiert werden. Facebook und andere Plattformen dieser Art erziehen
Nutzer gezielt zum Suchtverhalten. Nicht jeder tendiert dazu, süchtig zu
werden, aber es ist ratsam, immer wieder selber bewusst hinzuschauen.
Vor allem bei Kindern ist die Gefahr, dass sie in ein
Suchtverhalten hineinmanövriert werden, sehr groß. Ihr Belohnungssystem ist
bereits voll ausgebildet, während andere Hirnareale, die für Kontrolle zuständig
sind, sich erst später entwickeln. Es ist daher besonders dreist, bereits
kleine Kinder mit Werbebotschaften zu bombardieren.
Irgendwann ist es dann so weit, dass diese Vielzahl an
Dopaminausstößen nicht mehr zu einem Glücksgefühl führen, sondern nur mehr dazu
da sind, negative Gefühle zu verhindern. Es gibt genügend Menschen, die Dinge
kaufen, nur um des Kicks willen. Sie brauchen diese gar nicht und das Material
verrottet mitunter unausgepackt in einer Ecke. Wer dies exzessiv betreibt, wird
unweigerlich in die Schuldenfalle tappen.
Das Internet birgt auch noch andere Gefahren bei Kindern. Kürzlich
lief auf 3Sat eine erschreckende Dokumentation mit dem Titel „Vom Strampler zu den Strapsen“. Kinder mit unbeschränktem Zugang zum Internet haben heutzutage auch unbeschränkten Zugang zu Pornoseiten. Wer kann schon kontrollieren, was sich
Kinder z.B. über Smartphones da ungefiltert alles reinziehen und welche Sicht
auf die Welt sie dadurch entwickeln? Es ist offenbar nicht mehr so
ungewöhnlich, dass bereits Jugendliche Nacktfotos verschicken, ohne sich der Gefahren dessen
bewusst zu sein. Es ist daher immens wichtig, Kinder und
Jugendliche über die Gefahren aufzuklären und sie - so gut es eben geht - zu
schützen.
All diese Entwicklungen sind massiv begünstigt worden durch
diese uneingeschränkte Verfügbarkeit von Produkten, Medien und Verlockungen. Bereits
Kinder werden mit Onlinespielen geködert, die darauf abzielen, dass möglichst viel
Zeit online zugebracht wird. Nur so ist das Aufsteigen in ein höheres Level
möglich. Kinder werden dadurch zu Suchtverhalten erzogen. Meines Erachtens
begehen diese Spieleentwickler, sowie auch die Marketingstrategen ein
Verbrechen und sollten zur Übernahme von Therapiekosten verpflichtet werden.
Ebenso läuft es mit den ganzen Sportwetten-Geschichten, die zum Glücksspiel
animieren.
Die Folgen dieser Süchte sind auf den ersten Blick nicht
ganz so einfach zu erkennen wie die Folgen von substanzabhängigen Süchten (Alkoholsucht,
Heroinsucht etc.). Jedoch ziehen auch Verhaltenssüchte körperliche Schäden nach
sich. Menschen, die nicht mehr schlafen, um ihren Süchten nachzugehen.
Menschen, die sich tief verschulden, um ihre Kaufsucht oder Glückspielsucht zu
befriedigen. Menschen, die nicht mehr auf Körperhygiene achten, weil sie
ständig vor dem PC, Smartphone, Tablet oder was auch immer sitzen. Menschen,
die auf dem Entwicklungsstadium eines Kindes stehenbleiben, weil sie so durch
ihre Sucht vereinnahmt sind. Menschen, die sich für nichts mehr interessieren,
sich nicht mehr sozial engagieren, die auch im Wirtschaftsleben nicht mehr zu
gebrauchen sind …
Vielleicht ist das alles übertriebene Schwarzmalerei … aber
wenn ich z.B. mit dem Zug fahre und kaum einen Jugendlichen mehr sehe, der nicht
auf dem Smartphone herumtippt, stimmt mich das nachdenklich.
Eine Ausgewogenheit der Lebensbereiche, eine gute
Vorbildwirkung der Eltern, die Einschränkung der ständigen Verfügbarkeit und
vor allem Beziehungsfähigkeit, gute reale, soziale Kontakte, sind gute
Mechanismen, um sich gegen Verhaltenssüchte zu wappnen.
Wer mehr wissen möchte, dem sei das Buch „Junkies wie wir“ ans
Herz gelegt. In der Bibliothek
in Götzis kann es ausgeliehen werden. Das Wissen für diesen Eintrag habe ich großteils aus diesem Buch bezogen.
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