Vor noch nicht allzulanger Zeit habe ich nicht nur ein Fairphone
erhalten, sondern auch das Maximo-Ticket von VMobil, mit dem ich innerhalb Vorarlbergs
das ganze Jahr über die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen darf.
Mal ganz ehrlich – ich habe mich noch nicht so richtig auf
das Öffis-Fahren eingestellt … obwohl ich hier über Umweltverschmutzung und
CO2-Verbrauch wettere, stolpere ich derzeit noch über meine eigene
Bequemlichkeit …
Autofahren ist vordergründig halt schon ein Luxus. Man kann allerhand
einladen, kann kommen und gehen, wann man will, muss sich nicht an einen
Terminplan halten, man kann vor die Haustüre fahren und die Gehprothese (eine
Umschreibung für’s Auto von Roland Düringer) dort abstellen, groß bewegen muss
man sich auch nicht … auf diese Dinge zu verzichten, gestaltet sich zugegebenermaßen
noch als mühevoll.
Heute möchte ich das ganze Thema mal nicht aus dem Aspekt
des Umweltschutzes (CO2-Ausstoß, Verschwendung von Ressourcen) betrachten
(obwohl das auch ein ganz zentrales Thema ist), sondern die Thematik vom ganz menschlichen,
etwas philosophischen, psychologischen Blickwinkel aus sehen.
Eines vorweg: Ich habe derzeit nicht vor, ganz auf das Auto
zu verzichten … der erste Schritt soll sein, die Fahrkilometer zu reduzieren
und das Auto möglichst nur dann aus der Garage zu holen, wenn gute Gründe dafür
sprechen, es zu benutzen.
Solche Gründe wären:
- das Transportieren von schwereren Gegenständen
- Termindruck (zwei Termine an verschiedenen Orten innerhalb kurzer Zeit)
- keine vernünftige Zug- oder Busverbindung
- Notfälle
- Menschen, die mitfahren (dann rentiert sich das Autofahren auch eher)
- Unterwegssein spät nachts (es ist nicht so angenehm, mitten in der Nacht alleine auf Bahnhöfen herumzulungern, außerdem kann ich kurze Nächte und wenig Schlaf nicht ausstehen)
Alle anderen Fahrten lassen sich meines Erachtens auch mit
den öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewerkstelligen.
Die Voraussetzung dafür ist nur, die eigene Bequemlichkeit zu überwinden.
Nehmen wir mal meinen Arbeitsweg her. Ich habe keine direkte
Busverbindung von meinem Wohnort zu meinem Arbeitsplatz. Während ich zu Fuß von
zuhause zum Bahnhof nur etwa 7 Minuten benötige, dauert es vom Bahnhof zum
Arbeitsplatz schon an die 20 bis 25 Minuten pro Arbeitsweg.
Was spricht eigentlich dagegen, etwas länger unterwegs zu
sein und dafür auch noch ein Stückchen zu Fuß zu laufen? Ist es wirklich so
schlimm, täglich 40 min (hin und retour) zu Fuß zurückzulegen? Könnte es
vielleicht – nach einer gewissen Eingewöhnungszeit – einen Gewinn darstellen,
täglich an der frischen Luft zu gehen?
Ich kann mir das durchaus vorstellen. Roland Düringer,
dessen Buch „Leb wohl Schlaraffenland“ ich derzeit begeistert lese, schreibt an
einer Stelle, dass das Gehen etwas Heilendes sei, da es in einer Langsamkeit geschieht, bei der das Gehirn
gut mitkommt (zu finden auf Seite 75 seines Buches). Heutzutage hat das Leben eine
Geschwindigkeit erreicht – durch moderne Kommunikationsmittel, durch schnellere
Fahrzeuge – die uns ohnehin fast aus dem Sattel reißt.
- Informationsmittel und die Informationsflut (man erfährt quasi in Echtzeit, wann, wo, was und wie passiert, man sollte am besten immer erreichbar und einsatzfähig sein),
- schnelle Transportmittel (innerhalb weniger Stunden können wir von einem Ort zum anderen jetten und in eine vollkommen andere Kultur eintauchen),
- großer Leistungsdruck („in“ ist, wer überall dabei ist und überall mitreden kann),
40 Minuten Gehzeit kann da heilend wirken und helfen, wieder
„herunterzukommen“, wieder langsamer zu werden, zu entschleunigen, tief
durchzuatmen und wieder zu sich zu kommen. Körperliche Bewegung ist gesund und
hilft, ruhig zu werden, den ganzen Wirbel, den der Arbeitstag gebracht hat, zu
verarbeiten. Zeitweise ist mein Kopf vom vielen Denken (und Verkopfen) so voll,
dass er droht, zu zerbersten. Zumindest fühlt es sich so an. An die frische
Luft zu gehen und tief durchzuatmen, ist dann eine reine Wohltat!
Und das Zugfahren selber - während der Fahrt kann man z.B. ein Buch lesen oder Mitfahrer beobachten, schauen, was sie so bewegt, wie sie ihre
Zeit vertreiben, ob sie müde sind oder fröhlich. Vielleicht kommt man auch mit
jemandem ins Gespräch. So etwas kann einem z.B. im Auto nicht passieren, wenn
man alleine fährt. Deswegen hat Roland Düringer noch ein zweites Wort für das
Auto, welches mir gut gefällt: „Bürgerkäfig“. Ein „Käfig“, in den man
reinsitzen kann, um mit niemandem kommunizieren zu müssen. Der Lift ist auch so
ein „Bürgerkäfig“. Ein Transportmittel, in das man stehen kann, um mit
möglichst wenig Aufwand von unten nach oben oder von oben nach unten zu kommen.
Wenn man „Glück“ hat, hat man den „Käfig“ für sich alleine und muss niemandem
in die Augen schauen, geschweige denn, mit jemandem reden, denn oftmals ist man dazu eh zu müde.
Tut uns diese Individualisierung denn gut? In einer Zeit, in
der möglichst alles optimiert und schnell gehen muss (ich bin aufgrund meines
großen Perfektionismus und mangelndem Selbstbewusstsein auch "Mittäter"),
ist man oftmals abends so ausgelaugt, dass man gar keinen Bock mehr darauf hat,
jemanden zu sehen oder mit jemandem reden zu müssen. Ich z.B. will dann oft
alleine sein, um mich zu erholen, oder noch das eine oder andere zu erledigen, merke
dann aber, dass dieses Alleinsein mich irgendwann auslaugt und nach einer
bestimmten Zeit geradewegs zu Niedergeschlagenheit und depressiven
Verstimmungen führt. Wumms, da ist es das Loch, na super! Da wollte ich eigentlich gar nicht hin!
Viele Menschen leiden darunter, dass bei all dieser
Geschwindigkeit, Leistungsdruck, Optimierung, keine Energie und Zeit mehr
bleibt für Beziehungen, Zwischenmenschlichkeit, Ruhe, Freude, Lebendigkeit. Ich bin selber eine Frau, die durch das Leben rennt, um ja
alles gut und richtig zu machen und keine Kritik zu ernten, aber in Wahrheit pfeift mich dieses Hamsterrad mächtig an. Ich glaube, so geht es vielen.
Eine Entschleunigung könnte dazu führen, dass
die Menschen wieder vermehrt miteinander in Kontakt kommen, vielleicht einander
zwischendurch wieder freundlich zulächeln. Jeder Mensch braucht das Gefühl,
wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Wir sind keine Maschinen!
Vor einiger Zeit ergab sich folgender Wortwechsel zwischen
meinem Patenkind (8 Jahre) und mir:
Ich: „Ich bin soooo kaputt“. Sie hat gelacht und ganz trocken angemerkt: „Bist Du eine
Maschine?“ Ich: „Nein, warum? Ich verstehe nicht …“. Sie: „ Nur Maschinen gehen
kaputt. Wenn Du keine Maschine bist, kannst Du auch nicht kaputtgehen“.
Ich hab
dann auch gelacht. Mit diesem trockenen Kommentar hat sie mich wieder auf den
Boden der Tatsachen zurückgebracht. Sie hat damit mein Jammern unterbunden und
mir auch bewusst gemacht: Wir sind keine Maschinen und sollten deshalb auch nicht
so leben, als wären wir Maschinen. Zwischendurch sollten wir uns diesen Umstand
wieder bewusst machen, um nicht über unsere eigenen Füße und unseren eigenen
Ehrgeiz zu stolpern. Nicht immer sind es die Chefs, die uns Druck machen.
Oftmals sind wir es einfach nur selber, die uns unter Druck setzen. Warum? Weil
wir es so gewohnt sind, denke ich, weil wir es in der Schule so gelernt haben,
weil wir gut sein wollen um jeden Preis, weil wir für den Erfolg bereit sind,
unsere Seele zu verkaufen. Das ist aber kein Weg, der glücklich und zufrieden
macht.
Deswegen: Entschleunigung – Bus fahren, zu Fuß gehen, Auto
öfters stehen lassen.
Ich werde mich darin üben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen