Seitdem ich vermehrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
unterwegs bin, fällt es mir ungemein stark auf, dass sich sehr, sehr viele
Menschen die Zeit des Wartens auf das öffentliche Transportmittel, sowie die
Zeit im Transportmittel mit dem Smartphone vertreiben. Das Smartphone scheint wie ein Teil der eigenen Identität
geworden zu sein, das Teil, das einen mit der Welt verbunden und mit anderen
Menschen in Kontakt hält.
Wie dramatisch es ausschauen kann, wenn da mal ein
Smartphone im Bus vergessen wird, durfte ich kürzlich erfahren. Eine junge Frau
fragte mich nach dem Weg zum Bahnhof. Sie
erschien eifrig auf ihr Telefon eintippend an der Bushaltestelle. Ich teilte
ihr mit, dass ich ebenfalls mit dem Bus auf dem Weg zum Bahnhof bin und dass
sie mir einfach folgen möge. Sie schien erleichtert und widmete sich dann
wieder dem Smartphone und der Person, mit der sie gerade kommunizierte. Doch
als ich sie darauf hinwies, dass wir bei der nächsten Haltestelle aussteigen
müssen, kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Sie zog sich die Handschuhe
an und muss dabei kurz das Smartphone weggelegt haben.
Der Bus hielt, wir stiegen aus und das Smartphone fuhr
weiter.
Die junge Frau wirkte verzweifelt! Es gelang ihr zwar dann schnell, in
Erfahrung zu bringen, dass ihr Telefon bereits abgegeben wurde beim Buschauffeur,
aber das linderte ihre Not kaum. Sie war aufgelöst, stützte ihren Kopf in ihre
Hände und schien vollkommen fertig. Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte
und wie ich ihr helfen konnte. Kurz, bevor ich ausstieg wandte ich mich an sie mit den Worten: „Kopf
hoch, du wirst es wiederbekommen!“ Und sie meinte, ja, aber jetzt sei doch
Wochenende! Wenn sie nur das Telefon vor dem Wochenende wiederbekommen würde, …
Ein Wochenende ohne Smartphone … kann das so schlimm sein?
Ich erinnere mich an einen Tag, als mein Computer
kaputtging. Meine Verzweiflung war ähnlich dramatisch … damals war die Zeit
noch nicht reif für Smartphones, ins Internet gelangte man rein über den PC und
ein giftgrünes Modem, welches komische Geräusche von sich gab, wenn man sich
über die Telefonleitung einwählte und damit die Leitung zum Telefonieren
besetzte. Dennoch hielt ich mit meinen Freunden über e-mail-Kontakt. Als dann
plötzlich nichts mehr ging, war ich nervlich am Ende. Es schien, als sei ich
abgeschnitten von der Welt, als wäre ich plötzlich einsam und alleine.
Aber wie kommt das? Nur, weil man grad „offline“ ist, dreht
sich die Welt doch weiter … die Menschen existieren noch, auch selber existiert
man nach wie vor. „Offline“ zu sein, bedeutet, dass man wieder rausgehen muss aus
dem Haus, wenn man Freunde und Bekannte sehen möchte, dass man wieder von
Angesicht zu Angesicht kommunizieren muss und dass man Dinge – dies erscheint
mir auch ganz wesentlich - versäumt! Aber ist das so tragisch?
Kürzlich lief auf ZDF die Dokumentation „World Wide War“,
bei der es um den geheimen Kampf unserer Daten geht. Wohin mögen uns diese
Zeiten, in denen klar ist, dass Geheimdienste wie die NSA all unsere Daten
überwachen und herausfiltern können, uns wohl führen?
Solange uns alle gut gewillt sind, wird das vielleicht noch
keine so weitreichenden Folgen haben. Aber was bedeutet es, wenn ein
totalitäres Regime die Macht an sich reißt? Man müsste die Menschen nicht mehr
– wie in Zeiten des Nationalsozialismus – bespitzeln, indem man ihre Gespräche
mitlauscht, nein, man könnte dann einfach ins Internet gehen und die
Aktivitäten nachverfolgen. Ah, dieser und jener ist aufmüpfig, den schnappen
wir uns mal und lassen ihn/sie verschwinden. Tipptopp!
Vielleicht nicht ganz so dramatisch, aber auch sehr wirkungsvoll,
ist die Sammlung der Daten für unsere Wirtschaft. Es kann sehr interessant und
lukrativ sein, die Daten von Individuen zu sammeln, um herauszufinden, wer sich
wofür interessiert. Das ist ein wunderbares Marketinginstrument! Man erkundet
die Interessen des Einzelnen und lässt ihm dann einfach viele zielgerichtete
Angebote zukommen. Alles geritzt, wenn dieser Mensch dann möglichst oft
zuschlägt und die Waren kauft! Das hält ihn beschäftigt, kurbelt die Wirtschaft
an und lässt ihn nicht auf dumme Gedanken kommen. Wessen Gehirn mit Krempel
zugemüllt wird, der hat keine Zeit, das System zu hinterfragen, ähnlich, wie
Michael Ende es im Buch Momo beschreibt.
So begeistert ich jahrelang vom Internet war, desto mehr stimmt es mich heute nachdenklich. Über kurz oder
lang ist das Internet eine künstliche Welt, ein Tummelplatz für
Selbstdarsteller, für Marketingstrategen, für einsame Menschen, aber auch für
Verbrecher. Wer all die Daten hat, hat die Macht, so scheint es. Das wirkt in
der Tat bedrohlich. Aber irgendwie auch absurd. Denn schlussendlich hat jeder
von uns die Möglichkeit, aus dieser Absurdität auszusteigen, indem er sich einfach nicht mehr ins Internet einloggt.
Würden dies alle machen, wär das ganz schön blöd für die
NSA, Marketingstrategen und Konsorten! Plötzlich gäbe es keine neuen Daten
mehr! Plötzlich wären Verbindungen nicht mehr so einfach nachverfolgbar. Würden
die Menschen wieder anfangen, bar zu zahlen, wär’s noch beschissener für die
Wirtschaftsbarone dieser Welt. Plötzlich wüsste man nicht mehr, wofür der
Einzelne sein Geld ausgibt. Die Banken würden in Not geraten, weil die
Geldscheine ausgehen würden. Im Zeitalter des elektronischen Geldverkehrs ist
Papiergeld ja schon Mangelware und nicht unbedingt erwünscht von den
Wirtschaftsmächten.
Es scheint, als dass wir uns diesen „World Wide War“ um
unsere Daten selbst erschaffen haben, indem wir so exzessiv begonnen haben, die
Annehmlichkeiten des Internets zu genießen und zu nützen und es so den
Mächtigen dieser Welt sehr einfach gemacht haben, uns zu kontrollieren. Vom
Segen wird es langsam zum Fluch … ich bin noch gespannt, wie das alles
weitergehen wird.
Ich glaube, zum bewussten Konsum und zur Genügsamkeit gehört
es ganz zentral dazu, wieder zu kleinen Strukturen zurückzugreifen, sprich,
kürzere Distanzen zurückzulegen, vermehrt mit den Menschen im Umkreis zu
verkehren und zu reden, Zweckgemeinschaften mit Menschen in der Region zu
bilden, Reparaturcafés aufzubauen, beim Schneider in der Nähe sich das Kleid
schneidern lassen, sich die Lebensmittel wieder vermehrt beim Bauern zu holen,
beim Nahversorger einkaufen, sich im Café in der Nähe treffen … für all diese
Dinge braucht es kein Internet, sondern nur zwei gesunde Beine, die einen an
diese Orte tragen.
Zurück zur Einfachheit! Das wär doch mal was!
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